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Diskurs
21. Dezember 2018

Ein Kampf gegen die Automobilindustrie

Gerade die Kautschukindustrie ist von vielen der aktuell in Politik und Medien kontrovers diskutierten Themen betroffen.

Wir sprachen mit Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies über Dieselfahrverbote, Grenz­wertdebatte, Kohleausstieg und Energiewende.

AKD: Egal, ob Diesel oder Kohle – Fossile Energien gelten als Brennstoffe von gestern. Der praktische Umstieg auf erneuerbare Energien gestaltet sich allerdings schwierig. Woran hapert es?

Lies: Es liegt vor allem daran, dass das Zielszena­rio nicht vernünftig beschrieben wurde. Wenn wir bis zum Jahr 2050 eine CO2-Reduzierung von mindestens 80 Prozent erzielen wollen, dann haben wir ein lösbares Ziel vor uns, das wir auch eigenständig erreichen können. Wenn wir allerdings die 100 Prozent-Marke erreichen wollen, dann können wir es nicht mehr alleine lösen. Dann brauchen wir verstärkt die Zulieferung von Energie aus anderen Ländern. Außerdem darf nicht schon der Übergang verteufelt werden. Das betrifft zum Beispiel die aktuelle Debatte um die Kohle. Man kann zwar nachvollziehen, dass sich so eine Diskussion an einem Punkt wie dem Hambacher Forst kristallisiert. Aber der Hambacher Forst ist nicht das eigentliche Problem. Konkret geht es in erster Linie um drei Fragen, die beantwortet werden müssen: Wann steigen wir aus? Wie viel Braunkohle brauchen wir dafür? Und wo kommt die eigentlich her?

ADK: Der Zwischenbericht der Kohlekommission war eher weich formuliert. Es sieht nicht so aus, als ob man in der Frage des Kohleausstiegs zu schnellen Ergebnissen kommen würde.

Lies: Und das ist ein großes Problem, weil ich befürchte, dass wir nicht mehr so viel Zeit haben und die Kommission ihrer Aufgabe, Emissionen zu reduzieren, nicht gerecht werden könnte. Dabei ist das kein Selbstzweck. Wenn wir es nicht schaffen, wird es unendlich teuer. Wenn der CO2-Zertifikatepreis weiter steigt, wird der Strom aus dem Kohlekraftwerk nahezu unbezahlbar. Auf EU-Ebene haben wir dabei keine Unterstützung zu erwarten. Die europäischen Nachbarn haben kein Interesse, uns als wirtschaftlich überaus erfolgreiches Land durch weichere CO2-Regelungen weiter zu stärken. Schließlich gehören wir auch zu einem der vier Hauptemittenten von CO2. Deshalb müssen wir den Weg der Energiewende konsequent weitergehen, ansonsten wird uns das auch wirtschaftlich auf die Füße fallen.

Foto: Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz

ADK: Kohle und Diesel haben etwas gemeinsam – beide gelten inzwischen bei vielen als Technologien von gestern. Ist das beim Diesel überhaupt gerechtfertigt?

Lies: Es gibt zwei Gründe, die dafür gesorgt haben, dass der Diesel in einem solchen Ausmaß in Misskredit geraten ist. Das ist zum einen die Zielrichtung der Debatte, dass der Diesel als Technologie Schuld an Fahrverboten ist. Das ist etwas kurz gegriffen, weil es schließlich auch noch andere Gründe gibt. Zum anderen liegt es daran, dass die Industrie den Diesel meiner Meinung nach so gut wie abgeschrieben hat. Wer den Kunden anbietet, den alten Diesel gegen einen anständigen Benziner auszutauschen und sich völlig frei macht von der Frage der Hardware-Nachrüstung, der trägt auch dazu bei, eine eigentlich kluge Technologie gerade für mittlere und größere Fahrzeuge zu beschädigen. Ich glaube allerdings, dass der Diesel gerade bei größeren Fahrzeugen weiterhin der richtige Weg sein wird. Dazu müssen sich aber die Versprechen stickstoffarmer Diesel-Motoren auch bewahrheiten. Die Skepsis ist inzwischen sehr groß.

ADK: Die Dieseldebatte wird inzwischen stark von der Diskussion um die Luft-Messwerte geprägt. Die Bundesregierung will das Bundes-Immissionsschutzgesetz ändern. Was halten sie davon?

Lies: Ich unterstütze an dieser Stelle die Bundes­regierung ausdrücklich, weil es dabei um eine Frage der Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten geht. Wenn das Messgerät an einem anderen Standort stünde oder der Sensor anders positioniert wäre, dann bekämen wir auch andere Werte. Das muss einen zumindest nachdenklich machen. Wir lassen jetzt die Standorte der Geräte untersuchen. Es geht uns nicht darum, die Standorte zu ändern, sondern die Frage zu klären, ob die Messergebnisse repräsentativ und aussagekräftig genug sind für Fahrverbote. Unbestritten bleibt das Ziel, die Luftqualität zu verbessern und die Grenzwerte einzuhalten.

ADK: Das bedeutet: Aktuell passen Art und möglicherweise auch Zahl der Messungen nicht mit der möglichen Schlussfolgerung, Fahrverbote einzuführen, zusammen?

Lies: Es geht primär um die Frage, ob die Mess­ergebnisse, die wir ermitteln, repräsentativ für die Belastung der Bevölkerung an einem Straßenabschnitt sind. Bilden die Messwerte nur einen sehr kleinräumigen „Hotspot“ ab, dürfen sie nicht die Grundlage für eine so einschneidende Maßnahme wie ein Fahrverbot sein. Wahrscheinlich müsste man sogar an mehreren Stellen Messungen durchführen, damit nicht eine Situation wie in Hamburg entsteht. Dort sperren sie einen Straßenabschnitt auf 200 Metern Länge. Die Autofahrer weichen auf die Straße daneben aus und Hamburg sagt „Wir haben die Welt gerettet“. In Hannover messen wir an der Göttinger Straße an einer Straßenseite vor einem sehr hohen und großen Gebäude. Wir wissen, dass der Wert anders ist als auf der anderen Straßenseite, weil wir dort aufgrund von Bau­maßnahmen auch schon einmal gemessen haben. Der Unterschied war nicht unerheblich. Das zeigt: Die Straßenseite ändert schon den Wert.

ADK: Die Deutsche Umwelthilfe kämpft derweil vor Gerichten für weitere Fahrverbote…

Lies: Und dafür kritisiere ich auch den Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Herrn Resch, immer wieder. Das ist auch ein Kampf gegen die Autoindustrie, der da geführt wird. Die haben sich einen klugen Namen gegeben und haben durch die zahl­reichen Klagen eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Es reicht aber nicht aus, immer nur gegen etwas zu sein. Man muss doch auch konstruktive Lösungen und Perspektiven bieten. Fahrverbote sind einfach nur die billigste Variante und keine Lösung. Da stellt die Stadt einfach nur ein Schild hin. Die Menschen verschrotten ihr gutes Auto, steigen auf ein neues um und fahren dann Benziner. Das ist aber keine nachhaltige Veränderung. Wir müssen stattdessen die Mobilität qualitativ verändern, um Menschen zum Umsteigen zu bewegen.

ADK: Aber wie schafft man es, Pendler und andere Autonutzer zum Umstieg zu motivieren?

Lies: Zum einen muss man viel Geld für Infrastruktur in die Hand nehmen, zum anderen geht es um intelligente Steuerung. Ein gutes Beispiel ist das EcoBus-Projekt in Südniedersachsen, bei dem ein Kleinbus unter anderem mithilfe einer App bedarfsgesteuert direkt zu den Nutzern kommt. Wir werden unseren Enkelkindern erklären müssen, warum wir uns damals im strömenden Regen anderthalb Kilometer vom Haus wegbewegt haben, um dort an einer Bushaltestelle auf einem vergilbten Zettel zu lesen, wann der Bus hätte kommen sollen. Wir müssen mehr an intelligente Verkehrsstrukturen denken. Diese Entwicklung kann auch einige Jahre dauern. Aber wie bei der Energiewende brauchen wir eine Zielvorstellung davon, wie Mobilität in 20 oder 30 Jahren aussehen soll. Nachhaltige Politik heißt nicht, einfach nur den Diesel in die Ecke zu stellen!

[Interview: Martin Brüning]

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